Es ist immer schwierig und langwierig, auf EU Ebene Kompromisse zu finden. Gerade wird das geplante Gesetz zur Chatkontrolle von führenden Experten kritisiert und bemängelt, da kommt schon die Nachricht, dass die tschechische Ratspräsidentschaft eine Verschärfung der Regeln plant. Die bisherigen Vorschläge der EU Kommission zum „Gesetz zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ werden in einem internen Papier lediglich als „Kompromiss“ gesehen und deshalb soll eine Verschärfung her. Die tschechische Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung schlägt vor, dass die Behörden mehr Befugnisse erhalten, um einfacher umfassende Netzsperren anzuordnen und Suchmaschinenbetreiber verpflichten, Domains aus den Ergebnislisten zu entfernen.
EU arbeitet an Gesetzespaket zur Chatkontrolle
Alle relevanten Organe arbeiten der EU Kommission zu, um ein großes Paket an Maßnahmen in die Verhandlungen zum endgültigen Gesetz zur Chatkontrolle einzureichen, dass am Ende final beschlossen und verabschiedet werden soll.
Bekannt ist bereits die Position der Chatkontrolle, bei der die Anbieter verpflichtet werden sollen, auf Anordnung der Behörden auch private Nachrichten und Chats von Nutzern zu scannen. Kritik kommt nicht nur von Datenschützern, sogar die EU Datenschutzbehörde sieht diesen Passus sehr differenziert. Zudem warnen Kinderschützer, Bürgerrechtler und die Wissenschaftlichen Dienste des deutschen Bundestages vor dieser Gesetzesvorlage.
Die Kontrolle privater Chatverläufe wäre eine harter Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer und steht entgegen der Regeln zum Datenschutz, an die sich auch stattliche Organe halten müssen.. Ursprünglich sah der Entwurf der EU Kommission vor, dass die Hosting-Anbieter „ Material über sexuellen Kindesmissbrauch“ löschen müssen, wenn eine Aufforderung der Behörden an sie ergeht. Für die Löschung haben die Anbieter dann ein Zeitfenster von 24 Stunden.
In Deutschland funktioniert das anscheinend bereits jetzt gut, Der Bericht der Bundesregierung zu diesen Löschungen zeigt, dass 97,5 % der in Deutschland gehosteten Inhalte innerhalb einer Woche nach Anzeigen durch das BKA gelöscht wurden. Laut Bericht funktioniert das konsequente Löschen schneller und ist deutlich effektiver als Netzsperren. Bei ausländischen Anbietern waren die angezeigten Domains zu 60% nach einer Woche und zu 88 % nach 4 Wochen gelöscht. Ein erfolgreicher Ansatz – warum jetzt die Verschärfung mit hartem Eingriff in die Privatsphäre?
Sperren statt Löschen?
Werden nur Netzsperren ausgesprochen, bleiben die Inhalte weiterhin online und sind mittels Tor Browser oder VPN Services weiterhin abrufbar. Damit sind die Sperren ineffektiv und verwässern die Problematik nur.
Bisher galt bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet nur eine Maßnahme: „Löschen statt Sperren“. Weicht die EU Kommission jetzt diesen Grundsatz auf, würde mehr gesperrt statt gelöscht und Inhalte sind weiter verfügbar.
Zudem ist das Positionspapier der EU Ratspräsidentschaft vage und beantwortet wichtige Fragen nicht. Was soll gesperrt werden: ganze Domains oder die direkte URL zu den Inhalten?
Die internationale Bürgerrechtsorganisation für digitale Rechte EDRi schreibt dazu: „Eine Sperrung auf Domain-Ebene würde auch legale Inhalte betreffen“, und das wäre „in vielen Fällen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die die freie Meinungsäußerung und den Zugang zu Informationen.“
Mitgliedsstaaten: mehr Rechte für nationale Behörden ?
Die EU hört anscheinend nicht auf Kritiker. Stattdessen fordern die Mitgliedsstaatenmehr „Möglichkeiten“ für ihre Behörden. Eigentlich sollte für diese Zwecke ein EU-Zentrum gegründet werden, dem koordinierende Behörde in den EU Ländern zuarbeiten. Jetzt steht eine dezentrale Lösung in den Papieren. Es soll zwar eine koordinierende EU Behörde geben, für die Anordnungen von Netzsperren sollen aber nationale Behörden verantwortlich sein. Die koordinierende Behörde darf dann „Bedenken“ äußern und diese auch per Gericht durchsetzen.
Der zweite Punkt im EU Ratspräsidentschaftspapier betrifft die Suchmaschinen, die in den Fokus gerückt werden. Auch sie sollen verpflichtet werden, nach Aufforderung der Behörden Domains aus den Ergebnislisten zu entfernen, wenn diese „Material über sexuellen Kindesmissbrauch“ enthalten. Allerdings ist die Löschung an noch näher zu definierende Vorgaben gebunden, über die bisher keine abschließende Einigung gefunden wurde.
Für Google als meistgenutzte Suchmaschine weltweit, ist dieses Ansinnen nicht neu. Der Anbieter entfernt bereits seit längerer Zeit selbstständig die Ergebnisse aus der Suche,wenn diese Merkmale enthalten, die zu sexualisierter Gewalt gegen Kindern führen. Laut Transparenzbericht entfernte Google im ersten Halbjahr 2022 bereits 484.573 URLs.
Die Verhandlungen zum Gesetz über die Chatkontrolle beginnen Mitte November mit einer ersten Sitzung der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung. Bis das endgültige Gesetz verabschiedet werden kann, wird es aber noch dauern und es gibt ausreichend Klärungsbedarf für die unterschiedlichen Positionen der EU Mitgliedsstaaten und deren Ministerien.