Der EuGH-Generalanwalt Szupar (Polen) schreibt in seiner Presseerklärung vom 28.9.23 zum Thema :“ … die Vorratsspeicherung und der Zugriff auf Identitätsdaten, die mit der verwendeten IP-Adresse verknüpft sind, sollten erlaubt sein, wenn diese Daten den einzigen Anhaltspunkt darstellen, um die Identität von Personen zu ermitteln, die ausschließlich im Internet Urheberrechtsverletzungen begangen haben.“ Er verweist auf die Regelung der Verwaltungsbehörde für den Schutz der Urheberrechte in Frankreich, die Abstufungen vorsieht, geht aber nicht weiter ins Detail.
Mr. Szupar fordert somit, eine flächendeckende Vorratsspeicherung der Internet-Verbindungsdaten der gesamten EU Bevölkerung ohne richterlichen Beschluss zuzulassen, um widerrechtliche Filesharer zu verfolgen. Das würde die bisherige Rechtsprechung, die sowieso schon sehr locker mit diesem Thema umgeht und die Speicherung von Verbindungsdaten im Bereich der Prävention von Kindern und Jugendlichen zulässt, regelrecht aufweichen. Gegen diese – nicht verbindliche – Stellungnahme regt sich Widerspruch.
Wahllose Datenspeicherung?: Warnung von EU-Abgeordnetem
Als einer der Ersten hat der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer von der Piratenpartei dazu schriftlich Stellung bezogen. Der Bürgerrechtler warnt vor dem Überschreiten einer „roten Linie“:
“Ursprünglich hat der Europäische Gerichtshof eine wahllose Vorratsspeicherung der Internet-Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung mit der Begründung Kinderschutz zugelassen. Jetzt soll sie schon gegen Filesharer und Beleidigungen zugelassen werden. Das belegt: Alle Dämme brechen, wenn die rote Linie flächendeckender Massenüberwachung überschritten wird. Nur nicht gespeicherte Daten sind sicher vor Datengier, Missbrauch und Datenlecks.
Schon das Argument Kinderschutz rechtfertigt keine Internet-Vorratsdatenspeicherung: Die Aufklärungsquote gerade bei Missbrauchs- und Ausbeutungsdarstellungen im Netz übersteigt 90%. Nur 3% der Hinweise aus der freiwilligen Chatkontrolle sind nicht aufklärbar. Eine höhere Aufklärungsquote wurde weder unter Geltung einer IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 erreicht, noch ist sie im Ausland vorhanden, wo eine flächendeckende Vorratsspeicherung praktiziert wird. Kinderschutz geht anders, etwa mit der Finanzierung von Präventionsarbeit, Schutzkonzepten, Quick Freeze, verdeckten Ermittlungen und Loginfallen.
IP-Adressen sind wie unsere digitalen Fingerabdrücke. Ihre totale Erfassung würde Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch die freie Presse gefährden, die auf anonyme Informanten angewiesen ist. Die massenhafte und flächendeckende Aufzeichnung der Internetverbindungen völlig unbescholtener Menschen ist eine totalitäre Maßnahme, die mit den Werten einer freien Demokratie nicht vereinbar ist.”