Russland: Internet Archive per Gerichtsbeschluss gesperrt?
Das Internet Archive wurde im Jahr 1996 als gemeinnütziges Projekt gestartet. Das internationale Webarchiv ist in vielen Ländern der Erde als Data-Bibliothek bekannt. Die Sammlung umfasst mehrere Millionen Bücher, Filme, Software und Fotos sowie Textdokumente. Zusätzlich können die Nutzer auf mehr als 340 Milliarden archivierte Websites zugreifen, die in der sogenannten „Wayback Machine“ angelegt sind. Das Internet Archive ist eine freie und offene Plattform für Jedermann und gehört mittlerweile zu den bekanntesten und beliebtesten Webseiten weltweit.
Russland: Webseiten immer wieder blockiert
In Russland könnte das Internet Archive nun vor erneut einer Blockade stehen. Im Jahr 2015 wurden einzelne Dokumente auf der Webseite von den russischen Behörden als „Terroristisch“ eingestuft und darauf das gesamte Archive gesperrt. Auch Indien verhängte im Jahr 2017 eine Sperre gegen die Domain, da eine Klage der Filmindustrie Bollywood wegen Urheberrechtsverletzung verhandelt wurde.
In Russland haben die Sperren von Webseiten – vor allem aus dem Ausland – seit dem Jahr 2012 deutlich zugenommen. Grund ist das Internet Zensur Gesetz, das von der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor überwacht wird. Die Behörde führt auch die Sperrliste von Domains, die gegen die Vorgaben des Gesetzes – Verbreitung von Kinderpornografie und Verkauf von verbotenen Substanzen – verstoßen. Im Jahr 2014 erhielten auch Blogbtreiber mit mehr als 3.000 täglichen Nutzern verschärfte Meldeauflagen von Roskomandsor.
Gerichtsverfahren gegen Internet Archive
Bereits in den ersten Monaten diesen Jahres hatte die „Organisation zum Schutz des digitalen Urheberrechts“ (AZAPI) wegen Urheberrechtsverletzung gegen das Internet Archive geklagt. Konkret gibt die Organisation an, die Hörbücher des Romans „Metro 2033“ von Dmitry Glukhovsky und „Third Eye Diamond“ von Daria Dontsova seien ohne Erlaubnis der Autoren in die digitale Bibliothek aufgenommen worden.
Ohne eine Anhörung der Verantwortlichen des Internet Archive hat das Moskauer Gericht das Projekt per Beschluss aufgefordert, die „Ermöglichung des Zugriffs auf das Hörbuch „ Metro 2033“ zu unterlassen“. Ob die Klägerin um Löschung der beiden Werke gebeten hat, ist nicht bekannt.
AZAPI verlangt zusätzlich eine komplette, landesweite Sperrung des Internet Archive in Russland. Grund ist das Hörbuch „Third Eye Diamond“ von Daria Dontsova, deren Erlaubnis nicht eingeholt wurde. Die Klägerin konnte allerdings den Besitz der Urheberrechte nachweisen, worauf das Gericht die Entscheidung bis zum 21.September vertagte.
Das Internet Archive wird von der Organisation RosKomSvoboda vertreten, die bereits wegen des ersten Beschlusses in Berufung geht. Das Internet Archive sei nicht nur unzensierte Wissensquelle für Nutzer weltweit, sondern wird auch von Schiedsgerichten als Beweismittel für digitale Inhalte hinzugezogen. Eine Sperre in Russland wäre deshalb fatal und rückschrittlich.