Der umstrittene und weltweit kritisierte Verkauf der Top-Level-Domain .org scheint noch lange nicht beendet. Die milliardenschwere Übernahme der .org-Registry Public Interest Registry (PIR) durch die Investgesellschaft Ethos Capital bedeutet gleichzeitig die Umwandlung der heute gemeinnützigen gemeinnützige .org-TLD in eine kommerziell verwaltetes und genutztes Produkt. Organisationen und Verbände, die die Domains bisher zu einem günstigen und gedeckelten Preis nutzen konnten, würden dann mit Staffelpreisen konfrontiert, die vor allem für Projekte, die sich aus Spenden finanzieren, kaum zahlbar wären.
Die letzte Hürde der Übernahme soll kurz vor dem Abschluss stehen. Der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania muss seine Erlaubnis geben, dass die PIR aus der Gemeinnützigkeit und von der Gesellschaft ISOC als Betreiber gelöst und in die freie Wirtschaft überführt wird. Solange dieses Schreiben nicht bei den Parteien eintrifft, kann der Verkauf nicht final abgeschlossen und die Verkaufssumme übergeben werden. Die Milliardensumme will die ISOC nach eigenen Aussagen verwenden, um unabhängig vom Domaingeschäft zu agieren und weitere gemeinnützige Projekte auf den Weg zu bringen.
Aufsichtsbehörde kontaktiert ICANN
Die passive Rolle der ICANN als oberste Verwalterin aller Domains wurde von Beginn an beobachtet und infrage gestellt. Jetzt hat sich die für die ICANN zuständige Generalstaatsanwaltschaft von Kalifornien mit einem Schreiben an die Organisation gewandt, um strittige Fragen zum .org-Verkauf zu klären.
Die Hauptfrage lautet: Hat die ICANN bereits zuvor die Zustimmung zu einem Verkauf einer Registry und der zugehörige Top-Level-Domain zugestimmt, bei dem der Wechsel aus der Gemeinnützigkeit zu einer kommerziellen Gesellschaft vollzogen wurde? Weiterhin möchte die Behörde wissen, ob die ICANN Einfluss auf die Preisgestaltung beim Verkauf und der späteren Vergabe der Domains hat.
Eine wichtige Frage ist auch, warum die ICANN in 2018 ihre Zustimmung zur Abschaffung der Preisbindung für .org-Domains gegeben hat und welche Kriterien zur Prüfung des Eigentümerwechsels sowie neue Bewerber für TLD von der ICANN festgelegt und kontrolliert werden.
Die ICANN hatte bereits 2002 tatsächlich Auflagen für die PIR festgeschrieben. Dazu gehörten die Preisobergrenze für .org-Domains und die gezielte Ansprache von nichtkommerziellen Projekten zur Vergabe der Domains. Zudem sollten Schulungsprogramme für die Nutzer aufgelegt werden, die den Zugang zu den gemeinnützigen Domains erleichtern.
Gremium fordert Transparenz von ICANN
Innerhalb der ICANN arbeitet ein Gremium für die Belange nichtkommerzieller Domaininhaber. In einem Schreiben fordert dieses Gremium die ICANN auf, einem Betreiberwechsel erst zuzustimmen, wenn die .org-Nutzer angehört wurden. Milton Mueller, Mitglied des Gremiums betont, dass dies auch die Satzung der ICANN vorschreibe. Das neue Schreiben des kalifornischen Generalstaatsanwalts verzögert das Verfahren um den Verkauf bis mindestens April 2020, sodass für Anhörungen genug Zeit bleibt.