Der Verkauf der gemeinnützigen .org Toplevel-Domain an eine Investorengruppe hat international großes Aufsehen erregt. Kritiker sprechen von reinem Kapitalinteresse, einer Ahnung von mafiösen Strukturen und einige befürchten sogar den „Ausverkauf des Internets“ durch die ICANN als oberste Verwalterin aller Internetadressen.
.org als Spekulationsobjekt
Die ICANN scheint den Verkauf der .org-Toplevel-Domain kommentarlos durchzuwinken und Kritik ist nicht erwünscht. Die Internet Society (ISOC) als gemeinnütziger Verein hat im Jahr 2002 extra die PIR als Verwalterin der ausschließlich von Non-Profit-Organisationen genutzten .org TLD gegründet und als Allgemeingut bisher vor jedem kommerziellen Interesse geschützt.
Nun soll sie auf den Kapitalmarkt geworfen werden und reiht sich in die Liga der kommerziellen Domains – .com, .net oder auch .de – ein, mit denen die Besitzer und Betreiber gutes Geld verdienen.
Die ICANN als oberste Verwalterin hat dagegen keinen Einspruch erhoben – im Gegenteil. Im Frühjahr 2019 stand die erneute Vertragserneuerung mit der PIR als .org Domainverwalterin an. Die ICANN hatte vor einigen Jahren massiv neue, generisch Top-Level-Domains auf den freien Markt geworfen und wollte die Bedingungen für dieses gTLDs auch auf die .org Domain umlegen. Das funktioniert aber nur mit der Abschaffung von gültigen Preisschranken, gegen die sich die PIR gewehrt hat. Der zweitgrößte Registrar Namechap und andere erhoben offiziell Widerspruch, doch geholfen hat es nicht. Die ISOC hat den Verkauf der TLD bekanntgegeben. Mit dem Verkaufserlös will die Non-Profit-Organisation ihren Bestand sichern und die Arbeit fortsetzen.
Keine Transparenz und seltsame „Zufälle“
Es sieht aus wie reiner Zufall, dass die geplanten Vertragsänderungen der ICANN und die Verkaufsentscheidung der ISOC in eine extrem kurze Zeitspanne fallen. Auch der potentielle Käufer Ethos Capital, deren CEO, Stellvertreter und Berater schon in mehreren Positionen für Kapitalgesellschaften – Abry, Global Domain Division und Donuts – mit Nähe zur ICANN und ISOC gearbeitet haben. Auffällig ist, dass weder Details noch Prognosen über Verkauf und die Zukunft der Top-Level-Domain und PIR öffentlich bekannt werden. Das lässt auf mangelnde Transparenz schließen, was wiederum Verschwörungstheorien befeuert.
ICANN äußert sich nicht
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Kaufsumme für PIR und damit die .org-Domain 1.135 Milliarden USD beträgt. Unter .org sind zurzeit 10 Millionen Domainadressen registriert. Wenn die Preise für die Domains massiv steigen, kann Ethos Capital einen satten Gewinn erwirtschaften und hat die investierte Summe mittelfristig wieder „eingefahren“.
Das Interesse an dem Verkauf der Domain ist groß und mehr als 15.000 Organisationen und Vereine haben eine Petition eingereicht, in der ein Verkaufstop gefordert wird. Doch die ICANN hat alle Bedenken abgeschmettert und sitzt den Vorgang schweigend aus. Als gemeinnützige TLD ist .org die erste, die auf den Kapitalmarkt gebracht wird und Kritiker befürchten, dass die ICANN damit einen regelrechten Ausverkauf startet und Domains zu Spekulationsobjekten von Kapitalgesellschaften macht.