Internetsperren als politische Maßnahmen sind in Indien seit Jahren an der Tagesordnung. Experten schätzen, dass im Jahr 2019 mehr als hundertmal das Internet in diversen Regionen und Bundesstaaten des Landes abgeschaltet wurden. Anscheinend ist der Bundesstaat Kaschmir besonders häufig und übermäßig lange von diesen Sperren betroffen. Deshalb hat sich das Oberste Gericht Indiens, der Supreme Court in Neu-Delhi mit den Fakten zu Blackouts beschäftigt und ein entsprechendes Urteil gefällt.
Fünf Monate ohne Internet
Das Internet im vormalig autonomen Kaschmirtal wurde vor fünf Monaten von den Behörden abgeschaltet. Zur Begründung wurde lapidar angegeben, dass man nur so die „Ordnung und Ruhe“ im Tal aufrechterhalten können. Doch Nutzer und Wirtschaft leiden unter der Sperre. Indien ist mit mehr als 630 Millionen Nutzern eines der aktivsten Länder im Online-Bereich und Sperren sind deshalb besonders schmerzhaft. Die Wirtschaft, die direkt mit und vom Internethandel lebt, musste durch die Sperren im Jahr 2019 massive Verluste von rund 1.3 Milliarden USD verkraften.
Erstaunlich ist allerdings die Gelassenheit, mit der die Bevölkerung die Sperren des Internets annimmt. Es gibt zwar Kritik von Netzaktivisten, doch keine groß angelegten Proteste. Nutzer suchen nach Auswegen aus dem Dilemma. Viele Pendler verlassen täglich die Kaschmir-Region mit dem Zug – nur um die Sperren zu umgehen und ins Internet zu kommen.
Oberstes Gericht stoppt Sperre
Der Supreme Court Indiens hat die Sperre bewertet und spricht von Unverhältnismäßigkeit. In dem Urteil des Gerichtshofes heißt es, dass eine Sperre nicht „länger als notwendig“ dauern soll. Das Gericht bezeichnet die Abschaltung des Internets als „drastische Maßnahme“, die nur verhängt werden darf, wenn sie „unvermeidlich§ und absolut notwendig sei. Die ist im Kaschmirtal augenscheinlich nicht der Fall, deshalb sollen laut Urteil alle Sperren innerhalb einer Woche überprüft werden.
Richter Nuthalapati Venkata Ramana sprach vom „Grundrecht zur freien Nutzung des Internets“ und der Verletzung von Indiens Telekommunikationsregeln durch die grundlose Sperre. Das Gericht ordnete zudem an, dass alle Abschaltungen öffentlich kommuniziert werden und Regierungsdomains, Services von Banken und Krankenhäusern jederzeit erreichbar sein müssten.
Netzaktivisten und die indische Industrie- und Handelskammer zeigten sich zufrieden mit dem Urteil, kritisierten aber den Zeitverlust durch ein verspätetes Urteil, dass dadurch nur langfristig Entspannung im Online-Bereich bringt.