Tim Berners-Lee kritisiert das moderne Internet
Der Wissenschaftler Tim Berners-Lee gilt als Erfinder des Internets. Vor 28 Jahren wollte der Informatiker, der zu jener Zeit am Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz arbeitete, seinen Schreibtisch besser organisieren und schrieb deshalb im März 1989 das Thesenpapier „ Informationsmanagement: Ein Vorschlag.“ Damit legte er den Grundstein für das Internet und ignorierte alle Kritiker. Rund zweieinhalb Jahre später wurde der erste Webserver angelegt, auf dem Berners-Lee im August 1991 die erste Webseite online stellte. Damals erst 36 Jahre alt, hatte der Physiker eine bahnbrechende Idee umgesetzt und das Tor zu einer neuen virtuellen Welt geöffnet.
Tim sieht Web-Entwicklung kritisch
Seit den 1990er Jahren hat sich das Internet rasant entwickelt und ist vom „Wissensarchiv“ zum sozialen Medium Nummer 1 geworden. Es gibt unzählige Unterhaltungs- und Shoppingplattformen und ein Netz von sozialen Netzwerken umspannt mittlerweile den Globus. Der Erfinder des Web sieht diese Entwicklung eher kritisch und fasst im Interview mit dem „Guardian“ die wichtigsten Punkte zusammen, die einen bewussteren Umgang mit diesem Medium ermöglichen sollen.
Berners-Lee spricht von einem Kontrollverlust über die persönlichen Daten, der durch die „Sammelwut“ der Internetkonzerne entsteht. Nutzer haben keine Übersicht mehr, wohin diese Daten gehen und was damit passiert. Der Wissenschaftler ist besorgt über die „Überwachung“ – auch durch Regierungen – und die immer weiter fortschreitende Verdrängung des ursprünglichen Zwecks des Internets, der darin bestehen sollte, Informationen zu wichtigen Themen des Alltags zu finden. Dies war das Anliegen des Erfinders. Er wollte freien Zugang zu Informationen für Jedermann.
Leider verbreiten sich laut Berners-Lee auch Fehlinformationen heute viel zu schnell, da die Quellen meist in den sozialen Netzwerken liegen. Statt echter Meinung errechnen Algorithmen auf Grundlage der Klickraten heute, welche Themen „angesagt“ sind und die Betreiber der Plattformen verdienen dadurch viel Geld. Freie Meinung? Fehlanzeige. Hinzu kommen sogenannte Bots, durch die Massen gezielt manipuliert werden.
Auch die Politik hat das Medium Internet für sich entdeckt und schaltet – nach der Sammlung von persönlichen Daten aus unterschiedlichen Quellen – auf den Nutzer zugeschnittene Werbung. Die Transparenz oder gar politische Themen bleiben dabei zunehmend auf der Strecke.
Ein Ende dieser Endlosschleife sieht Berners-Lee nur, wenn sich die IT-Konzerne entscheiden, Werbung zu reduzieren und die Kontrolle über Daten wieder an die Besitzer ( also Nutzer) zurückzugeben. Alternative Geschäftsmodelle und ein Sort out der vielen Netzwerke sollte dann langfristig zu einer „Normalisierung“ des Internets beitragen.