Mal ganz abgesehen davon, dass eine Top Level Domain à la .gay für viele Menschen der Gipfel der Geschmacklosigkeit ist, geht es der ICANN nur um die Frage, wer soll sie denn jetzt verwalten? Die Sexindustrie (wie gemunkelt wird) oder die Interessenvertretung der Schwulen und Lesben?
Denn entgegen allen Annahmen dürfte es genau um diese eine Frage gehen und nicht etwa darum, wo die Verwaltung der Domainendung .gay besser und sinnvoller aufgehoben ist. Offenbar ist es den ICANN Gutachtern nicht ganz so leicht gefallen, sich für eine der beiden zu entscheiden. Anders kann sich niemand so wirklich erklären, wieso die Bewerbung des Unternehmens Dotgay LLC keinen Erfolg hatte und das auch noch als einziger Bewerber.
Lieber geht man jetzt her und gibt die Top-Level-Domain .gay für eine Auktion frei.
Nicht bei allen stößt dies auf Zustimmung und Verständnis, denn wer wäre besser für die Verwaltung von Domains unter der TLD .gay geeignet als eine Interessenvertretung in Form einer Community?
Die Gutachter die ICANN sahen das anders und ließen die Community unter anderem deswegen durchfallen, weil man auch Registrierungen von heterosexuellen Transsexuellen und LGBT-Aktivisten zulassen würde. Hier half selbst die Unterstützung von nationalen Verbänden und der ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) nichts!
Zwar bedeutet dies nicht das Aus für die Community, aber nun muss sie sich mit anderen drei Bewerbern einen Auktionskampf liefern und hier ist absolut klar: Es gewinnt der, mit dem am besten gefüllten Bankkonto.
Laut Ansicht viele User kann dies aber nicht der Sinn eines solchen Vergabeverfahrens sein, denn dann dürfte klar sein, dass finanziell schlechter gestellte Bewerber immer den Kürzeren ziehen werden.
Grundsätzlich infrage stellen allerdings viel mehr User den Sinn einer solchen Domain-Endung. Kaum jemand sieht einen wirklichen Sinn darin, manch einer befürchtet sogar Diskriminierungsprobleme. Und zurecht, denn hier wird der Homophobie Tür und Tor geöffnet. In Zukunft können dann Interessendomains vorklassifiziert werden und das in einer Art und Weise, die dem Schubladendenken der Gesellschaft sehr zugute kommen könnte.
Fraglich ist auch, ob es überhaupt jemanden gibt, der sich mit einer solchen Domainvorklassifizierung überhaupt „schmücken“ möchte.
An dem Vergabeverfahren der ICANN in Bezug auf Top-Level-Domains kommen damit aber immer mehr Zweifel auf. Wenn es wirklich nur einen einzigen Bewerber für eine bestimmte TLD gibt, wieso dann nicht auch diesem Bewerber die Domain zusprechen, sondern ein zeitaufwendiges und unsagbar kostenintensives Auktionsverfahren starten? Oder geht es der ICANN etwa darum möglichst nur zahlungskräftigen Kunden die Verwaltung einer Domain zu überlassen?
Die Änderung des bisher gebräuchlichen Bewerbungsverfahrens ist allerdings nicht ganz so einfach, wie sich dies gescheiterte Bewerber und Nutzervertreter vorstellen. Monate, wenn nicht sogar Jahre könnte es dauern, so der Regierungsbeirat der ICANN, bis das komplette Domain-Verfahren angepasst und alle Punkte überarbeitet worden sind.
Viele User werden mit Sicherheit zustimmen, dass dieser Punkt zu vernachlässigen sein sollte, wenn es denn um den richtigen Domain-Verwalter für die zur Verfügung stehenden Top Level Domains geht. Auf Vorauswahlen nicht in Form von „wer zuerst kommt …“ sondern „wer am meisten zahlt …“ möchte jedenfalls niemand haben. Fakt ist, dass es bisher erst einer Interessenvertretung gelungen ist, die Verwaltung einer Domain-Endung zu erhalten und dies war .hotel. Ein eher dunkler Ausblick für Communities aller Art!
Autor: Wolfgang Wild Domainsmalltalk